In ihrem aktuellen Text kommentiert die Studierenden-Gruppe ‚Kritische Uni‘ die Ereignisse der letzten zwei Wochenenden. Dabei ordnen sie die 1. Mai in Schwerin und den alljährlichen „Ehrendienst“ in Demmin in den landes- und geschichtspolitischen Kontext ein.
Jedes Jahr Demmin
Seit 2006 treffen sich Rechte am 8. Mai zum „Ehrendienst“. Hier gedenken sie den vermeintlich ungerechtfertigten Einzug der Roten Armee im Jahr 1945. Aufgefallen ist Demmin besonders durch den Massensuizid der Bewohner/innen. Heute ziehen Rechte mit Fackeln und andächtiger Musik durch die Stadt. Schon vor zwei Jahren kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstrant*innen und der Polizei. Dabei wurde ein Gegendemonstrant so stark verletzt, dass er ins künstliche Koma versetzt werden musste. Auch dieses Jahr musste wieder ein Gegendemonstrant ins Krankenhaus, weil er von der staatlicher Seite verletzt worden war.
Diskurs um Demmin
Demmin wird schon länger zum Schauplatz geschichtlicher Deutungsversuche. Dabei fällt auch Dr. Fred Mrotzek vom Historischen Institut der Universität Rostock auf. Er spricht im Zusammenhang des Massensuizids von einer „Massenhysterie“ der Bewohner/innen. Mit diesen psychologischen Ausflügen gibt er eine Begründung, warum direkt vor Kriegsende die Demminer/innen nach ihren Mordanschlägen gegen die Rote Armee lieber gemeinsam in den „Volkstod“ als in die Hände des „Feindes“ gingen. Damit verschiebt er aktiv die Rolle der kriegsauslösenden Deutschen, die in Russland die Strategie der verbrannten Erde umsetzten, hin zu den von den Russen drangsalierten. Leon*a Schmidt dazu: „Wenn versucht wird wissenschaftlich zu belegen, dass die Deutschen die eigentlichen Opfer seien, bewegen wir uns in eine Richtung, in der wir in wenigen Jahren den 2. Weltkrieg nicht mehr begonnen haben.“
Verlängerter Arm: Polizei
Dass die Polizei angemeldete Demonstrationen begleitet und schützt, unabhängig davon, wer sie anmeldet, ist bekannt. In Mecklenburg-Vorpommern allerdings tritt sie seit Jahren stark gewalttätig gegenüber Demonstrant*innen auf, die sich rechten „Trauermärschen“ entgegenstellen. Dabei gehen sie über ihre Funktion des Schutzes der Demonstration weit hinaus. Das verletzen des Rechts auf Pressefreiheit ist hier noch das harmloseste Beispiel. Damit bezieht die ausführende Institution politisch Stellung. „Die Polizei muss sich hier die Frage stellen, ist sie ausführende Staatsgewalt oder politische Akteurin“, stellt Leon*a Schmidt fest. „Da sie tendenziell beides darstellt, wirft das ein beängstigendes Licht auf die (nord)deutschen Verhältnisse“, lässt sie* sich weiter zitieren.
Nächstes Jahr Demmin
Angesicht dessen, dass sich das Gebaren der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern in letzten Jahren nicht verändert hat, ist davon auszugehen, dass sich Demmin im nächsten Jahr wiederholen wird. Fred Mrotzek ist sich sicher: ein guter Demokrat müsse die Polizei mögen.
Quelle: http://kritischeunihro.blogsport.de/2016/05/10/demmin-ein-opfermythos-der-strasse-und-der-wissenschaft