[Original erschienen unter https://de.indymedia.org/node/169744 ]
Auch in Greifswald gibt es seit April 2021 jeden Montag Versammlungen von Querdenker*innen. Spätestens ab dem Herbst 2021 konnte eine vermehrte Beteiligung von Personen aus dem Spektrum des örtlichen Pegida-Ablegers (FFDG) diverser Burschenschaften und der IB beobachtet werden. Während sich die Beteiligung bis Anfang Oktober noch auf unter 40 Menschen belief, hat sich mittlerweile analog zur bundesweiten Entwicklung eine deutliche Dynamik entwickelt.
In diesem Artikel möchten wir einen Blick auf die Akteure der Montagsdemos und deren Hintergründe werfen.
Der Organisationskreis (Bild1)
Seit April 2021 meldet Andreas Pieper jeden Montag eine Kundgebung auf dem Greifswalder Markt an, bei der er ein bis Mitte Oktober sehr überschaubares Grüppchen zwischen 20 und 40 Personen um sich scharte. Bei Andreas Pieper handelt es sich um einen ehemaligen Studenten der Physik, der der Truther-Szene zuzurechnen ist. In dem der Verschwörungserzählungen offenen Magazin Rubokin, spricht er ein einem Artikel davon, “aufgrund der 9/11-Lüge aus der Matrix gefallen” zu sein. (1) Darüber hinaus ist er Co-Autor des Verschwörungsideologischen Machwerks “The Ground Zero Modell”, in dem die Zerstörung des World Trade Centre druch eine unterirdische nukleare Sprengung propagiert wird. (2) Seit Mitte Oktober stiegen die Teilnehmer*innen-Zahlen auf den Kundgebungen sprunghaft auf ca. 200 Personen an und es kam in dem dazugehörigen Telegram-Chat vermehrt der Wunsch auf Demonstrationen durchzuführen. Daraufhin traten weitere Personen dem Organisationskreis bei.
Als Anmelder für die Demonstrationen fungiert momentan Martin Klein von der Partei “Die Basis”, welcher auch bereits als Redner auftrat. Aufsehen erregte er durch die Forderung nach einem “Nürnberg 2.0” . Zu Empfehlen ist hierzu ein Artikel im Fleischervorstadt-Blog (3) Seit November tritt das Bürgerschafts-Mitglied Grit Wuschek von der “Initiative für Greifswald” als Ordnerin in Erscheinung. Sie ist bereits einschlägig durch ihre Kontakte zu dem Organisationskreis von FFDG und zu Aktivist*innen der IB bekannt. So traten im Februar 2021 die Identitären Aktivist*innen Franziska Gerbe, Christian von Debka und Max Bartusch bei einer Mahnwache auf den Plan, die von Grit Wuschek und dem Kreis der “Initiative für Greifswald” organisiert wurde. (Bild 2)
Weiterhin tritt die Wirtschaftsjuristin Ina Schuppa-Wittfoth wiederholt als Rednerin auf, sie zeichnet darüberhinaus für einen Offenen Brief an Manuela Schwesig verantwortlich, der unter Anderem dieses bezeichnende Zitat enthält (Bild 3)
Während sich Andreas Pieper in einem Ostseezeitungs-Artikel vom 05.11.2021 noch von Pegida distanziert, gab es spätestens nach der AfD-Demonstration vom 06.12.2021 in Greifswald ein zusammengehen beider Strukturen. So stellt Norbert Kühl, einer der führenden Köpfe hinter FFDG mittlerweile zentrale Infrastruktur, wie sein Fahrzeug und Technik der Demonstration zur Verfügung. Seine Frau Petra Albrecht-Kühl ist Mitglied des Organisationskreises von “Wolgast steht auf” und trat am 10.01.2022 als Anmelderin der Großdemonstration in Rostock in Erscheinung. Unterstützt wurde sie hierbei vom FFDG-Mitglied Olaf Blank, der sich als Ordner zur Verfügung stellte. (4) Die FFDG scheint sich montags gerade stark nach Rostock zu orientieren. Am 17.1. traten Norbert Kühl, Olaf Blank und Petra Albrecht-Kühl mit Orangen Westen mit dem Aufdruck “Orga-Team Wolgast” in Erscheinung und hielten teilweise auch Redebeiträge. (Bild 4) Auf den vergangenen Demonstrationen in Rostock kam es zu einer hohen Dichte an bundesweiter Nazi-Prominenz. So bildete am 10.1.2021 der bekannte Neonazi Sven Krüger mit weiteren Hammerskin-Brüdern gemeinsam eine Kette mit Aktivisten der IB, wie Hannes Krunägel und Daniel Sebbin. Auch Mitglieder von Nordkreuz wurden im Gespräch mit Holger Arppe (ehemals AfD) dokumentiert. (5 ; 6)
Teilnahme von Burschenschaftern, IB, Mitgliedern des III.Weg und anderer Nazis
Seit Oktober 2021 konnte die vermehrte Teilnahme von Aktivistinnen der IB und Mitgliedern der Burschenschaften Rugia und Markomannia beobachtet werden. Unter ihnen Franziska Gerbe, Eike Liefke, Max Bartusch, Ferdinand Brandt und Frank Polenz. (Bilder 5-10 ) Auch der IB-Ableger “Aktionsgruppe Nord-Ost” war mit Thomas Krüger vertreten. (Bild 6) Der Physiotherapeut aus Eldena engagiert sich darüber hinaus auch in der “Initiative für Greifswald” von Grit Wuschek.
Der bei Aktionen der IB aufgefallene Inhaber von Kernbohrungen Wudtke, Martin Wudtke, erschien sogar mit Kind. Auch der mit einem AfD-Parteiausschluss-Verfahren konfrontierte Thomas Kerl (enger Vertrauter von Prof. Ralph Weber) ließ sich eine Teilnahme nicht nehmen, obwohl er offensichtlich im Zwist mit Norbert Kühl liegt. Der betagte IB Unterstützer Klaus-Peter Last wurde frühzeitig Mitglied der Telegram-Gruppe. (7)
Am 13.12.2021 machten sich auch Mitglieder der Kleinstpartei III.Weg auf nach Greifswald und veröffentlichten ihre Teilnahme anschließend auf ihrem bundesweiten Telegram-Account.
Telegram-Chat-Mitglieder mit eindeutiger NS-Symbolik, Angst vor Hitlergrüßen und Bedrohungen von Journalist*innen
Ein kurzer Blick in den “Mo-Demo Greifswald Chat auf Telegram genügt, um Mitglieder mit eindeutiger NS-Symbolik auszumachen. Darunter beispielsweise Sebastian Lüder (Dachdecker mit Betrieb in Heringsdorf) oder ein Daniel (Usedomerjung) mit III.Weg Fahne im Hintergrund. (Quelle: blog17.vier.de)
Entgegen den ständigen Versicherungen, dass bei ihnen keine Nazis mitlaufen würden, scheint einzelnen Mitgliedern ihr Anziehungspotential für Rechte bewusst zu sein. So äußert ein Mitglied die Befürchtung, dass Hitlergrüße gezeigt werden könnten und ruft dazu auf, diese zu unterbinden. Journalisten, die die Veranstaltungen dokumentieren, finden sich schnell im Fokus des Chats wieder, inklusive Drohungen wie: “Um dieses Fotokind wird sich angemessen gekümmert, …” etc.
Angriff auf Gegendemonstrant*innen und Jagd auf Vertreter der Presse
Am Montag den 10.01.2022 kam es zu einem Übergriff durch teils alkoholisierte Teilnehmer der Demonstration auf Gegendemonstrant*innen. Die Angreifer konnten in ihre Schranken gewiesen werden und entfernten sich in Richtung Nexö-Parkplatz, wahrscheinlich zu ihrem dort abgestellten Fahrzeug. Am 17.1.2022 kam es zu einem weiteren Zwischenfall im Anschluss an die Demonstration. Dabei wurde ein junger Reporter von einer Gruppe vermummter Personen gejagt. Es gelang ihm und seinem Begleiter in ein Auto zu flüchten und sich so einem Angriff zu entziehen.
“Wolgast steht auf” – Reden mit eindeutiger NS-Rhetorik
Auf den mittwöchlich von Sebastian Glaser veranstalteten und mittlerweile auch von Petra Albrecht-Kühl angemeldeten Versammlungen findet sich jegliche extrem rechte Schattierung wieder, die Vorpommern zu bieten hat. Im Vergleich mit den Veranstaltungen in Greifswald sind die vorgetragenen Reden auch deutlich weniger zurückhaltend.Eine Rede vom 29.12.2021 trieft nur so von antisemitischer Hetze und Bezügen zu NS-Ideologie.(8 Der Redner schwadroniert von einer Verschwörung, die dabei ist “ein Virus als Waffe zu benutzen” und spricht weiter: “Das was 1945 die Bomben waren, sind heute ihre Giftspritzen. Es ist ein unberechtigter Waffenbesitz einer kleinen, globalen, nutzlosen Klique, die die Menschheit versklaven wollen.”
Beteiligung an den Demonstrationen aus dem sogenannten alternativen Spektrum
Leider stellen wir immer wieder fest, dass auf den Montagsdemos auch Menschen aus vermeintlich alternativen Milieus mitmarschieren, also Kund*innen von Bioläden, Teiler*innen von Projekten der solidarischen Landwirtschaft, Menschen von Biohöfen und aus dem Lassaner-Winkel.
Wir wollen mit dieser Veröffentlichung alle Menschen argumentativ unterstützen, die gerade um diese Personen kämpfen. Kritik an Corona-Maßnahmen ist in Teilen wichtig und notwendig. Eine Mangelnde Abgrenzung nach rechts, kann aber nicht einfach hingenommen werden. Deswegen konfrontiert die Leute, die ihr auf den Demos seht im Alltag. Fordert sie auf Stellung zu beziehen. Jede*r trägt die Verantwortung für das eigene Handeln. Wer sich nicht zu schade ist mit Nazis die Demonstration zu teilen, spielt ihnen in die Karten und trägt zu dem aktuellen Rechtsruck bei. Es besteht dagegen immer die Möglichkeit, eigene Veranstaltungen zu organisieren und klare Kante gegen Rechts zu zeigen. Veranstaltungen also, die eine Kritik an der Corona-Politik formulieren und gleichzeitig Verschwörungsmythen und Rechte Hetze angreifen.
Ganz einfach. Wer mit Nazis und Verschwörungsideologen marschiert, hat nix kapiert.
1) https://www.rubikon.news/artikel/die-matrix-die-blockchain-und-ich
3) https://blog.17vier.de/2022/01/12/nurnberg-2-0-redebeitrag
4) https://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Rechte-bei-Corona-Prot…
5) https://katapult-mv.de/artikel/neonazis-an-der-spitze
6) https://twitter.com/ExifRecherche/status/1481668991592579073
7) https://blog.17vier.de/2022/01/17/montagsdemonstrationen-in-greifswald/
8) https://www.youtube.com/watch?v=gPz5nFIF-Y4
Bilderläuterungen:
Bild 1: twitter.com greifswald.gerade Ina Schuppa-Wittfoth (mit Warnweste), Martin Klein (mit Fahrrad), Andreas Pieper (rechts im Bild)
Bild 2: Ostsee-Zeitung
Bild 3: twitter.com Bildwerk Rostock
Bild 4 pixelarchiv.org Links: Norbert Kühl, Bildmitte Petra Albrecht-Kühl
Bild 5 facebook.com rugia greifswald 1.vl. Frank Polenz, 2. vl. Ferdinand Brandt, 4. vl. Thore Ragnar Teufel, 5. vl. Max Bartusch, 6. vl. Christian v. Debka
Bild 6 Vortrag in der Rugia (2017) 1. Tino Müller (NPD), 2. Daniel Neumann (Kameradschaftsstrukturen Stralsund), 3. Enrico Harmisch (NPD), 4. Norbert Kühl, 5. Eike Liefke (IB), 6. Thomas Krüger (Aktionsgruppe Nord-Ost / „Initiative für Greifswald“), 7. Max Bartusch (Rugia), 8. Prof. Ralph Weber (ex. AfD)
Bild 7 1. Christian v. Debka (Rugia / IB), 2. Daniel Menkens (Rugia / IB), 3. Tino Müller (NPD), 4. Petra Albrecht-Kühl (AfD / Versammlungsleitung auf Coronademos in Rostock), 5. Stefan Reuken (AfD)
Bild 8 katapult-mv Bildmitte mit schwarze nort face – Jacke , Frank Polenz
Bild 9 pixelarchiv.org 3. vl. mit grüner Jacke Ferdinand Brandt (Rugia)
Bild 10 youtube.com Reinhard Schulz Bildmitte Max Bartusch (Rugia)
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