[Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=4399]
Im Jahr 2012 gründete sich die Neonaziorganisation «Combat 18» („Kampfgruppe Adolf Hitler“) Deutschland. «Combat 18» (C18) Deutschland ist die „autorisierte“ deutsche Division eines internationalen Netzwerks von C18-Gruppen, die sich als eine weltweite Bruderschaft verstehen und organisatorisch und sozial eng verbunden sind. Regionale Schwerpunkte in Deutschland bilden der Raum Dortmund, Ostholstein, Thüringen und Nordhessen. Von ca. 50 Personen lässt sich eine Mitgliedschaft in «Combat 18» Deutschland belegen. Dutzende weitere Neonazis tauchen regelmäßig in Personenzusammenhängen von «Combat 18» Deutschland auf und/oder beziehen sich auf die Organisation, doch bei ihnen fehlen Nachweise für eine Mitgliedschaft.
«Combat 18» Deutschland hat eine feste Organisationsstruktur. Ein Richtlinien-Papier, das im Stil einer Vereinssatzung gehalten wird, legt diverse „Bruderpflichten“, monatliche Treffen und Beitrittszahlungen, Aufnahme- und Ausschlusskriterien und sogar eine Kleiderordnung fest. Die Gründung von «Combat 18» auf internationaler Ebene im Jahr 2012 geschah unter dem Motto „Reunion 28“ – Wiedervereinigung. Mittlerweile gibt es in ca. 25 Staaten Divisionen. Tatsächlich ist «Combat 18» Deutschland die Weiterführung einer Struktur, die seit den 1990er Jahren existiert. Diese Struktur erlebte Flauten und Hoch-Zeiten, Umbrüche und personelle Fluktuation, wie es in vielen politischen Zusammenhängen passiert. Die „Reunion“ im Jahr 2012 ist je nach Sichtweise eine Reorganisierung, Wiederbelebung, Neustrukturierung und Neugründung.
«Combat 18» Deutschland versteht sich als das „originale“ «Combat 18» und hat das Selbstverständnis, der harte Kern und der bewaffnete Arm von «Blood & Honour» (B&H) zu sein – einer Organisation, die in Deutschland im 2000 verboten wurde. Die Gruppen des «Combat 18»-Netzwerkes nennen sich „B&H/C18“ und nutzen die Grußformeln „C18/28“ und „318/28“. 318 steht für C18, die 28 für BH, «Blood & Honour». Die Selbstsicherheit, mit der «Combat 18» Deutschland auftritt, ist nicht nur mit Naivität und den typisch neonazistischen Allmachtsphantasien zu erklären. Einzelne Führungspersonen sind erfahrene Leute, die die Grundregeln konspirativen Handelns durchaus kennen. Und doch agieren sie so, als ob ihnen nichts passieren könne. Warum?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in seinen Statements der vergangenen Monate diese Struktur konsequent verharmlost – mit dem offensichtlichen Interesse, eine Zerschlagung von «Combat 18» Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt zu verhindern. Nicht nur das deutet darauf hin, dass «Combat 18» Deutschland bis in die höchste Ebene mit Spitzeln der Geheimdienste und/oder Polizeibehörden durchsetzt ist. Nach jahrelanger Beobachtung dieser Gruppe drängt sich der Verdacht auf, dass dieses neue alte «Combat 18» Deutschland ein „Honeypot“ ist, den Geheimdienste und/oder Polizei installiert haben, um Militante anzulocken, deren internationale Vernetzung auszuspähen und deren Aktivitäten in gewünschte Bahnen zu lenken. Das Vorgehen der Behörden zeigt in erschreckender Weise, das diese in den letzten Jahren offensichtlich nichts gelernt haben – nicht aus der Geschichte des RechtsRock und seiner radikalisierenden Wirkung, nicht aus dem rechtsterroristischen Netzwerk «Nationalsozialistischen Untergrund» (NSU), nicht aus dem V-Leute-Unwesen, das militanten rechten Gruppen in der Vergangenheit oft mehr nutzte als schadete.
Kristallisationsfigur und Spiritus Rector von «Combat 18» in Deutschland ist Thorsten Heise aus Thüringen. Es ist offensichtlich, dass seine Strukturen seit Jahren von Polizei und Geheimdiensten vor Verfolgung geschützt werden. Die einzig schlüssigen Erklärungen hierfür sind, dass um Heise ein engmaschiges Netz von V-Leuten ausgelegt ist und die Behörden glauben, darüber seine Aktivitäten zu überwachen und steuern zu können – oder dass Heise selbst ein Spitzel in staatlichen Diensten ist.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt in seinem „BfV-Newsletter“ (Nr. 4/2017) im Herbst 2017 unter anderem, dass „etwaige Radikalisierungstendenzen“ bei «Combat 18» Deutschland „nicht notwendigerweise die Gesamtorganisation betreffen müssen“ und das die Möglichkeit bestünde, „dass sich Einzelpersonen durch die Ideologie von C18 soweit indoktrinieren lassen, dass sie mit schweren rechtsextremistischen Gewalttaten in Erscheinung treten.“ Das BfV liefert hiermit Textbausteine für die unvermeidlichen Erklärungen, die kommen werden, wenn doch jemand von «Combat 18» seine Vision von rechtem Terror in die Tat umsetzt: bedauerlicher Einzelfall, Einzeltäter, keine Organisation und kein rechter Terror erkennbar.
In dem BfV-Newsletter 4/2017 heißt es auch, dass C18-Strukturen in Deutschland „keinen Bestand“ hätten und dass „der szeneinterne Bezug auf C18 […] in der Regel jedoch eher der eigenen Aufwertung“ diene und „nach außen den Eindruck von Gefährlichkeit vermitteln“ solle. Unbestreitbar ist, dass viele Mitglieder von C18 sich über dieses Label in der Szene profilieren und wichtig machen. Doch das (oder: gerade das) macht sie nicht ungefährlicher. «Combat 18» transportiert über seinen Namen und seine gewaltvolle Geschichte das Image des Untergrundes und des bewaffnetes Kampfes. Das setzt die, die sich dieses Label anheften und/oder der C18-Organisation angehören unter Druck, sich selbst, ihrem internationalen Netzwerk und der Szene etwas beweisen zu müssen. Insofern sind Anschläge und andere Gewalttaten von C18-Mitgliedern und Umfeld die logische Konsequenz ihrer Identifizierung mit «Combat 18».
Die Mitglieder von «Combat 18» Deutschland sehen sich in Vorbereitung auf einen Krieg, eines bevorstehenden, unausweichlichen „Rassenkrieges“, der ihrer Meinung nach ganz Europa erfassen und die bestehenden gesellschaftlichen Ordnungen auflösen wird. Sie füllen ihre „Kriegskasse“, beschaffen sich Waffen, trainieren für den Ernstfall, führen Schießübungen durch.
Tatsächlich haben diverse Anhänger von «Combat 18» – und auch Mitglieder von «Combat 18» Deutschland – in der Vergangenheit schwere Gewalttaten begangen. Und die Gefährlichkeit der Gruppe misst sich nicht ausschließlich daran, ob deren Mitglieder nun selbst Gewalttaten oder Terroranschläge begehen. «Combat 18» liefert seit Jahren Konzepte des bewaffneten Kampfes, Bands des «Combat 18» verbreiten über ihre Liedtexte Parolen vom neonazistischen Mord und Totschlag und tragen darüber zur weiteren Radikalisierung der Szene bei. «Combat 18»-Gruppen veranstalten in hoher Taktzahl Konzerte und Treffen, die der Vernetzung dienen. Dadurch finden deutsche Neonazis beispielsweise Anschluss an schwer-militante Neonazigruppen aus dem Ausland und erhalten von diesen Know-How und Handlungsimpulse.
Ausländische Gruppen dieses Netzwerkes traten bereits durch Anschläge in Erscheinung. In Griechenland wurden im März 2018 sieben Neonazis von «Combat 18» Hellas, eine Gruppe dieses Netzwerkes, verhaftet. Sie hatten über 30 Anschläge verübt und dabei etliche Menschen verletzt. Bei Hausdurchsuchungen wurden Waffen und Sprengstoff gefunden. Gruppen aus dem Netzwerk von «Combat 18» Deutschland waren maßgeblich an der Organisation von zwei der größten Neonazikonzerte der Geschichte beteiligt: Im Oktober 2016 in der Schweiz (5.000 Teilnehmende) und im Juli 2017 in Themar in Thüringen (6.000 Teilnehmende). Sie erzielten darüber Gewinne von mehreren hunderttausend Euro, die unter anderem in den Ausbau der Szene-Infrastruktur fließen. Die Geschichte von «Combat 18» zeigt auch, dass sie ihre Gelder immer wieder für die Beschaffung von Waffen und Kampfausbildung einsetzten.
Antifaschistische Zeitschriften und Tageszeitungen haben bereits mehrfach über «Combat 18» Deutschland berichtet. 2016 das Antifaschistische Infoblatt (AIB) und die Zeitschrift Lotta. Der nachfolgende Beitrag beschreibt ausführlich und dennoch unvollständig die Entwicklung, Struktur und Aktivitäten von «Combat 18» Deutschland und international. Die Bedrohung durch ein internationales, rechtsterroristisches Netzwerk, das sich weitgehend ungehindert organisieren kann, sowie die Verstrickung und Verharmlosung seitens der Behörden machen es notwendig, das Wissen über «Combat 18» in dieser Ausführlichkeit zu veröffentlichen. Dies ist auch eine Konsequenz, die antifaschistische Recherche aus den Erkenntnissen um den NSU-Komplex ziehen muss.
«Combat 18» von 1992 bis Anfang der 2000er Jahre
• Die Anfänge von «Combat 18» in England
• «Combat 18» – Label und Terrorkonzept
• Die Entstehung von «Combat 18» Deutschland um 1995
• Der „Browning-Heise-Flügel“ von «Blood & Honour» und «Combat 18»
• Thorsten Heise und die «Versorgungslinie Nord»
• Das Verbot von «Blood & Honour» in Deutschland
«Combat 18» in den 2000er Jahren und die Vorläufer des 2012 gegründeten C18
• «Combat 18»-Gruppen in Deutschland
• Terror in Nordrhein-Westfalen und Spuren zu «Combat 18»
• Die «Oidoxie Streetfighting Crew»
• «Combat 18» in Dortmund um 2006
• Die NSU-Morde in Dortmund und Kassel 2006
• «Arische Bruderschaft», «Frontline» und die Berliner «Vandalen»
• Die «Versorgungslinie Nord» funktioniert weiter
• «Combat 18» in Schleswig-Holstein in den 2000er Jahren
Das neue alte «Combat 18» ab 2012
• Die Neustrukturierung im Jahr 2012
• Treffpunkt und Geschäftsfeld Konzert
• Der Organisationsaufbau und «Combat 18» Deutschland
• Die Sektion von Stanley Röske
• Die Sektion in Ostholstein
• Die Sektion in Dortmund / Nordrhein-Westfalen
• «Combat 18» in Thüringen
• Wer gehört zu «Combat 18» Deutschland?
• Bands von «Combat 18»
• Machtkämpfe und Intrigen
• V-Leute
• Das Übliche vom Verfassungsschutz
Das Internationale Netz von «Combat 18»
• Interaktive Karte
• «Combat 18» Schweiz – enge Bande nach Thüringen
• «Combat 18» in Österreich
• «Combat 18» in Skandinavien
• «Blood & Honour» und «Combat 18» in Frankreich
• «Combat 18» Niederlande
• «Combat 18» in Osteuropa
• Weitere Divisionen: «Combat 18» in Italien, Spanien, Griechenland und Südamerika
• «Combat 18» in den USA und in Australien
…bis wieder eine rassistische Mordserie auffliegt?
«Combat 18» von 1992 bis Anfang der 2000er Jahre
Die Anfänge von «Combat 18» in England
«Combat 18» wurde 1992 in England als Sicherheitstruppe der britischen Neonazipartei British National Party (BNP) gegründet. Vor allem durch den Zustrom neonazistischer Hooligans wuchs eine schlagkräftige Gang, die sich zunehmend der BNP entkoppelte und eigene Interessen verfolgte. Als 1993 der Führer der britischen und internationalen «Blood & Honour», Ian Stuart Donaldson, an den Folgen eines Autounfalls starb, geriet B&H in eine Führungskrise und «Combat 18» riss die Macht in B&H an sich.
Der C18-Gründer und -Anführer William Browning („The Beast“) führt seit 1994 das Unternehmen «ISD-Records» („The Voice of Blood & Honour Records“), das mit RechtsRock bereits in den 1990er Jahren Millionensummen verdiente. Browning war die treibende Kraft beim Aufbau eines internationalen B&H/C18-Unternehmengeflechts, dass Musik und Merchandise von B&H weltweit vermarktet.
William Browning ist eine Legende des «Combat 18». Er ist einer der Anführer des 2012 neu strukturierten «Combat 18» und unverzichtbar dafür, der Organisation ihre Legitimation zu geben. Wenngleich Browning mit dem RechtsRock-Geschäft wohlhabend wurde, so ordnete er stets die ökonomischen Interessen seiner Politik unter. Diese Politik war am terroristischen Konzept des „Leaderless Resistance“ (Führerlosen Widerstand) ausgerichtet. Browning stand hinter einer Reihe von C18-Veröffentlichungen, in denen es von Morddrohungen nur so wimmelte und in denen neben Listen potenzieller Anschlagsziele auch Anleitungen zum Bombenbau abgedruckt waren, kommentiert durch Sätze wie: „Now you have the technology so bomb the bastards“. Zu dieser Zeit beging C18 in England eine Serie von Brandbombenanschlägen und körperlichen Angriffen auf Gegner_innen. Auch Personen aus rechten Szenen, die den Führungsanspruch von «Combat 18» nicht anerkannten, waren Ziel von C18-Attacken. Dabei wurden unter anderem Macheten und Handfeuerwaffen eingesetzt. „Combat 18 versucht die Szene zu säubern und den Abschaum und die Parasiten, die uns runterziehen, loszuwerden.“ schrieb Browning in einer Antwort an seine rechten Gegner, die er als „Teilzeitrebellen“ verdammte. (siehe White Noise: Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour – Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene 2001: 60)
1997 verschickte Thomas Nakaba, eine Führungsperson des schwedischen B&H/C18 und enger Freund von Browning, drei als Videokassetten getarnte Bomben. Eine war an eine englische TV-Moderatorin gerichtet, die einen schwarzen Sportler geheiratet hatte, die zweite ging an eine Londoner Adresse der Antifascist Action, die dritte an einen englischen Neonazi-Musiker, der sich gegen C18 gestellt hatte. Zweifelsfrei hatte Browning diese Anschläge in Auftrag gegeben. Die Bomben erreichten ihre Ziele nicht. Die englische Polizei hatte C18 bis in die höchsten Zirkel unterwandert, erfuhr von der Aktion und fing die Pakete ab. In dem Verfahren stellte sich heraus, dass die Gelder für Waffen, die sich C18 beschafft hatte, aus den Einnahmen von ISD-Records stammten.
Schließlich wendete sich auch Paul Sargent, genannt Charlie, der zweite Anführer von «Combat 18», von Browning ab. Ein Grund waren Meinungsverschiedenheiten über die weitere politische Ausrichtung von C18. Sargent wollte C18 als eine halb-legale Organisation aufstellen, Browning plädierte weiterhin für die Durchführung terroristischer Aktivitäten. Nun eskalierte die Gewalt zwischen zwei konkurrierenden C18-Flügeln, die jeweils für sich in Anspruch nahmen, das echte C18 zu repräsentieren. 1997 brachten Sargent und ein weiterer C18-Mann einen Gefolgsmann von Browning um und erhielten dafür lebenslange Haftstrafen (siehe Nick Lowles Goldesel des White Power in White Noise: Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour – Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene 2001). Diese Geschichten sind nun 20 Jahre her, doch sie sind auch für die heutige Zeit von Bedeutung. Denn sie zeichnen ein Persönlichkeitsprofil von Browning, der seinen heutigen Ruf in der Szene darauf aufbaut, sich immer treu geblieben zu sein, nichts zu bereuen und nichts an Radikalität verloren zu haben.