[Original erschienen unter https://exif-recherche.org/?p=6760]
Großspurig hatten die OrganisatorInnen angekündigt, dass das extrem rechte Kampfsport-Event «Kampf der Nibelungen» (KdN) 2020 alle bisher ausgetragenen Fightnights der Reihe übertreffen werde. Schnell zeichnete sich jedoch ab, dass die Infektionsschutz-Bestimmungen, wie auch der staatliche Repressionsdruck die Durchführung einer solcher Veranstaltung unmöglich machen.
Statt einer Fightnight, an der 2018 bis zu 800 Neonazis teilnahmen, konnte das Team um Alexander Deptolla lediglich einen Online-Stream bieten. Um die fünfzehn Kämpfe mit internationaler Beteiligung versprach man Interessierten, wobei am Ende nur eine handvoll dessen präsentiert werden konnte. Zusammengefasst in einem rund zweistündigen, dilettantisch zusammengeschnittenen Video, welches mit der Einsicht Deptollas endete, dass man vorerst keine weiteren Veranstaltungen plane.
Eine Verbotsverfügung und die Folgen
An die Aufmerksamkeit von 2018, wo das Hauptevent des KdN im Oktober im ostsächsischen Ostritz öffentlich ausgetragen wurde, wollte das Orga-Team im Folgejahr eigentlich anknüpfen. Eine Verbotsverfügung der Stadt Ostritz verhinderte dies jedoch.
Bis zum letzten Moment versicherte Alexander Deptolla und seine MitorganisatorInnen der Szene, dass man alle Wege gehen würde, um das Verbot zu kippen. Die Infrastruktur des KdN war schließlich schon Tage vor dem Event nach Ostritz gebracht worden und zahlreiche HelferInnen aus dem engen Umfeld des KdN – maßgeblich die NS-Straight Edge-Gruppierung «Wardon 21» – hatten am 12. Oktober 2019 Bänke, den Ring und Essensstände aufgebaut. Die Polizei unterband jedoch die Anreise der Kämpfenden, wie auch einzelner BesucherInnen. Zerknirscht meldete sich Deptolla am Abend in den sozialen Netzwerken zu Wort und verkündete, dass der KdN so nicht stattfinden werde. Ein Eilantrag des Veranstalters gegen das Verbot wurde mit der Begründung „das öffentliche Interesse an der Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung überwiege das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers“ zurückgewiesen.
Geblieben waren dem KdN vor allem immense Geldeinbußen. Über 10 000 Euro hätte man in Vorleistung gehen müssen. Gelder die aus dem Ticketverkauf – 35 Euro für einen Stehplatz, 45 Euro für einen Sitzplatz – generiert wurden und an die KäuferInnen nicht zurück gezahlt werden könnten. Stattdessen appellierte Deptolla an die Solidarität und vertröstete die TicketbesitzerInnen auf ein Event in 2020. Die Eintrittskarten würden nicht an Gültigkeit verlieren und auf juristischem Weg wolle man mittels einer Fortsetzungsfeststellungsklage das Verbot kippen. Da es absehbar war, dass diese Klage nicht bis zum neu angesetzten Austragungstag, dem 10. Oktober 2020, verhandelt und die aktuelle Pandemie ein Fightevent in der Größe nicht hergeben würde, beschlossen die OrganisatorInnen, ihre Veranstaltung per Online-Stream durch zu führen.
Als am 26. September 2020 mehrere Lokalzeitungen meldeten, dass eine Hundertschaft der Polizei am Morgen in Magdeburg eine Kampfsport-Veranstaltung aufgelöst hatte, wurde schnell klar, dass auch der angedachte Video-Stream in der ursprünglich geplanten Version so nicht stattfinden kann.
Von rund 90 Neonazis, darunter die OrganisatorInnen, KämpferInnen und Teammitgliedern, hatte die Polizei auf dem Gelände des rechten Motorradclubs «Division 39» im Magdeburger Stadtteil Rothensee die Personalien aufgenommen. Eine Bestätigung, dass es sich dabei um den «Kampf der Nibelungen» handelte, gab u.a. Manuel Ganser. Der Kader der Neonazipartei «Der III. Weg» aus Zwickau postete schließlich auf Telegram ein Bild aus der Personenkontrolle und teilte mit, dass der KdN abermals verboten wäre. Eine polizeiliche Gefahrenanalyse hätte ergeben, dass Straftaten nicht ausgeschlossen werden könnten, so die Lokalzeitung «Volksstimme». Eine Untersagung der Veranstaltung aufgrund von präventiver Gefahrenabwehr, die nicht nur eine Identitätsfeststellung mit sich zog, sondern auch die Sicherstellung des Boxrings. Laut eigenen Angaben wurden zudem diverse Speichermedien beschlagnahmt.
In Bezug auf den Austragungsort sei dabei erwähnt, dass die Rocker genau gewusst haben, wen sie dort ihr Clubhaus anvertrauen. Durchaus mit Kalkül hatte die rechte Rocker-Gruppierung «Division 39» an dem besagten Wochenende auf Facebook mitgeteilt, dass man auf einen Ausflug nach Rostock sei. Lokale Antifaschist:innen widerlegten das Ablenkungsmanöver jedoch, denn der Motorradclub war bewiesenermaßen an diesem Tag nicht in Norddeutschland. Die Gruppierung gilt als Auffangbecken für Neonazis und rechte Hooligans und war u.a. auf Aufmärschen von «PEGIDA» anzutreffen.
Trotz des herben Schlages in Magdeburg bewarben die OrganisatorInnen des KdN ihren Online-Stream weiter, mit der Aussage, dass man dem Publikum auch weiterhin etwas zu bieten hätte. Auch die Szene selbst inszenierte sich, als ob es keine Rückschläge gegeben hätte und bewarben das Event simultan zum Orga-Team. Schweizer Neonazis um die junge Gruppe «Nationale Aktionsfront» kündigten sogar ein Public-Viewing an, dass letztlich in Tuggen (Kanton Schwyz) am Rande von Zürich von statten ging, wie die «Antifa Bern» berichtete. Um die 20 Euro kostete der Zugang zum Stream, wobei TicketbesitzerInnen vom Vorjahr den Zugangscode kostenlos zu Verfügung gestellt bekommen sollten. Man müsse außerdem über 18 Jahre alt sein, um den Zugangscode erwerben zu können.
Der Stream – weder atemberaubend, noch professionell
Am Abend des 10. Oktober selbst, war erst einmal warten angesagt. Obwohl der Stream für 18 Uhr angesetzt war, verging einige Zeit, bis auf der Homepage des KdN ein auf der Plattform „Vimeo“ hochgeladenes Video erschien.
Fast eine viertel Stunde vergeht in dem Stream, in der sich die ZuschauerInnen bereits veröffentlichte Zusammenschnitte des KdN der letzten Jahre, Werbevideos der extrem rechten Bekleidungsmarken «Resistend» und «Black Legion», sowie einen selbstdarstellerischen Clip der Neonazi-Kampfsportgruppe «Baltik Korps» anschauen mussten, bis Alexander Deptolla im Bild erscheint. Minutenlang erklärt er – im Rahmen einer Autofahrt – die aktuelle Situation des KdN und geht auf den folgenden Videozusammenschnitt ein. Zwanzig Minuten vergehen insgesamt, bis die angekündigten Kämpfe beginnen. Und auch da wird das Online-Publikum getäuscht. Denn statt aktueller Kämpfe griff man zunächst auf Mitschnitte von Events aus den vorherigen Jahren zurück.
Begonnen wird dabei mit einem Kampf aus dem Jahr 2016, als der KdN im hessischen Gemünden klandestin ausgetragen wurde. Alle Beteiligten werden nur verpixelt gezeigt, erkennbar ist jedoch Malte Redeker als Ringrichter des Boxkampfes zwischen „Angie“ und „Julia“. Redeker ist es im Übrigen auch, der im gesamten Online-Stream die präsentierten Kämpfe kommentiert und dabei in dritter Person sprechen muss, wenn er etwa Entscheidungen des Ringrichters – d.h. sich selbst – erklärt. Bei der Kämpferin „Julia“ handelt es sich um Julia Thomä, die in Mecklenburg-Vorpommern in den Strukturen lokaler Kameradschaften politisiert wurde und später bei den «Jungen Nationalisten» maßgeblich mitwirkte. Gegnerin „Angie“ kommt ebenfalls aus Deutschland und wird aus dem Publikum lautstark angefeuert. Dass der KdN alles andere als ein unpolitisches Sportevent ist, verdeutlicht einer der Trainer von „Angie“. Er präsentiert sich in Jogginghose mit dem Schriftzug der griechischen Neonazi-Partei «Chrysi Avgi». Deren Führungsriege wurde am 7. Oktober 2020 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und dem Mord an dem antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas zu teils hohen Haftstrafen verurteilt.
Auf den Boxkampf – ein Debut, da erstmals in der Geschichte des KdN Frauen in den Ring stiegen – folgt ein Kampf vom Oktober 2018, wo der KdN in Ostritz stattfand. Zu sehen ist erneut ein Boxkampf, in dem „Woltan“ vom «NS Fightclub Sofia» aus Bulgarien gegen den Tschechen „David“ vom «White Rex Czech Fight Team» antritt. Letzterer, der bei den «South Legion»-Hooligans aus České Budějovice (Budweis) aktiv ist, gewann den Kampf – sichtlich erfreulich für seine Trainer Vít Mrákota und Tomáš Dubský, die euphorisch in den Ring stürmten.
Wie schon nach dem ersten gezeigten Kampf, wird auch nach diesem Mitschnitt Werbung eingeblendet, bevor – nach insgesamt 40 Minuten – einer der ersten aktuellen Kämpfe präsentiert wird.
Der Plan B liegt im Osten Thüringens
Es ist ein Bruch in der Ästhetik, wie er härter nicht hätte sein können. Statt Nebelmaschine und pompöser Einlaufmusik wird ohne Anmoderation ein Kampf präsentiert, der in einem vier Quadratmeter großen, selbst gebauten Ring ausgetragen wurde. Als Ringbegrenzung dienen schwere Gerüststangen und als Eckenschutz sind lediglich Pratzen auf Holzplatten angebracht. Die Trainer lehnen, mehrheitlich maskiert, an den im Raum befindlichen Kraftsportgeräten, während die Wände des Gyms mehr schlecht als recht mit den Bannern des KdN und von «Black Legion» abgedeckt wurden. Hier und da erkennt man jedoch Poster vergangener, kommerzieller Events, wie der «Altenburger Benifiz-Boxnacht» oder des «Shuri Fightclub» in Plauen.
Im Raum selbst befinden sich etwa 50 bis 60 Personen, darunter die Kämpfer, ihre Trainer und Teams, das Orga-Team des KdN, sowie dem Orga-Kreis nahestehende Personen. Eine geschlossene Gesellschaft, die sich dort um die Mittagszeit klandestin zusammengefunden hat. Bei dem Austragungsort selbst handelt es sich um das Gym der Neonazi-Kampfsportgruppe «Barbaria Schmölln». 2013 gegründet, betreibt die Gruppe das Gebäude an der Adresse An der Sprotte 3 im Schmöllner Gewerbegebiet.
Kein Zufall, dass der KdN auf das Gebäude zurückgreifen konnte, denn schließlich ist Martin Langner – Headcoach der «Barbaria Schmölln» – ein langjährig aktiver Kampfsportler im Netzwerk des «Kampf der Nibelungen». Er trat nicht nur selbst mehrfach auf den Events an, sondern trainierte auch andere Neonazis für den KdN, etwa Sebastian Dahl. Politisch ist er mittlerweile in den Reihen der Neonazi-Partei «Der III. Weg» angekommen und nahm zuletzt am 3. Oktober 2020 an deren Aufmarsch in Berlin teil. Das Gym der «Barbaria Schmölln» geriet indes schon 2018 in den Fokus, als dort mehrere bekannte Neonazis an einem Mannschaftswettkampf teilnahmen. Darunter auch der NSU-Unterstützer André Eminger, wie Olia Coşkun in ihrem Kapitel im jüngst erschienenen Buch „Ihr Kampf“ von Robert Claus zu berichten weiß. Beworben wurde der Wettkampf im Übrigen auf der offiziellen Webpräsenz der Stadt Schmölln, als „Vereinsfest / 5 Jahres Feier“ des «Barbaria Sportgemeinschaft e.V.».
Der im Stream gebotene erste Kampf in neuer Umgebung, zeigt „Max“ im Boxen gegen André Fuhr aus Dortmund. Wie u.a. die «Mean Streets Antifa Dortmund» berichtet, gehörte Fuhr der «Aktionsgruppe Dortmund West» (AG West) an. Die im Mai 2020 aufgelöste Gruppe versuchte in die Fußstapfen der verbotenen Gruppe «Nationaler Widerstand Dortmund» zu treten und war eng an die lokalen Strukturen der Neonazi-Partei «Die Rechte» angebunden. Ferner ist Fuhr in der Graffiti-Szene aktiv, wo er aktuell unter dem Sprühernamen „Nova“ auftritt.
Während seines Kampfes gegen „Max“ trug er zudem ein T-Shirt des «Tremonia Kollektiv». Eine Gruppe die sich 2020 gründete und sich auf ihrer Webseite als „heimattreues Kollektiv aus und für Dortmund“ vorstellt – mehr Inhalt gibt die Gruppe bisher nicht Preis. Begleitet wurde Fuhr in Schmölln u.a. von seiner Partnerin, der Neonazi-Aktivistin Marnie Wachmann aus Bochum und dem Dortmunder Alexander Pentrup. Pentrup gehörte ebenfalls der AG West an und nahm dort eine führende Rolle ein.
„Max“ wiederum wurde von einer handvoll Neonazis aus Eisenach begleitet, die einheitlich in Merchandise der Kampfsport-Gruppe «Knockout51» bekleidet waren. Unmaskiert präsentierten sich etwa Leon Ringl und Maximilian Andreas als Abgesandte der Gruppe. Bei „Max“ scheint es sich offensichtlich um Kevin Noeske zu handeln. Noeske trainiert seit vielen Jahren Kampfsport, unter anderem im «Imperium Fight Team» in Leipzig zusammen mit dem Neonazi-Hooligan Benjamin Brinsa. Dass die «Knockout 51» Gruppe sich nicht nur auf rechten Kampfsport-Events wie dem «Tiwaz» 2018 und 2019 beweisen will, sondern auch den Straßenkampf sucht, konnte am 29. August 2020 in Berlin beobachtet werden, wo die Gruppe sich an Auseinandersetzungen mit der Polizei beteiligte.
Tirza Müller war es, die bei André Fuhrs Kampf als Ringrichterin fungierte. Sie gehört zur Struktur der Neonazi-Partei «Der III. Weg» in Bayern und war noch 2016 aktive Thaiboxerin im «Barracuda»-Gym in München. Bei dem darauf folgenden Kampf übernahm hingegen Malte Redeker diese Funktion. Gekämpft wurde nun im Mixed Martial Arts (MMA), wobei ein „Micha vom Fightclub Wardon“ gegen einen „Max aus der Lausitz“ antrat. Bei „Micha“ handelt es sich um Philipp Oertel aus Thüringen. Gemeinsam mit seinem Bruder Lukas Oertel – der ihn in Schmölln betreute – ist er seit 2017 in der NS-Straight Edge-Gruppierung «Wardon 21» organisiert, die als engste Unterstützer des KdN gelten. Bekleidet war Philipp Oertel in Schmölln übrigens im selben Outfit, den die maskierte Person in den Trainingsvideos des KdN trug, die zu Zeiten des Corona-Lockdown produziert wurden. Nicht verwunderlich, diese Videos stammen schließlich aus der Feder von «Wardon 21». Auch Jörg Henning, der ebenso Teil der Gruppe ist, war in Schmölln anwesend. Am Ende gewinnt „Max“ den Kampf gegen Oertel und dem Stream folgt – wieder einmal – ein harter Schnitt, gefolgt von der Einblendung eines Bildschirmschoner mit dem Logo des KdN.
Völlig unvermittelt beginnt dann der nächste Boxkampf.
Im Ring stehen sich dabei Julian Menzel aus dem Raum Bautzen und der schwedische Neonazi Anton Stigermark gegenüber. Menzel kämpfte schon im Oktober 2018 in Ostritz und tritt seit 2019 als Kämpfer von «Wardon 21» auf. Der junge, hoch ideologisierte Neonazi stellt sich selbst als NS-Straight Edge dar und wurde in den Strukturen der «Kameradschaft Ostsachsen», sowie in der JN politisiert. Aktuell ist er zudem Teil der «Wanderjugend Oberlausitz», deren Auftreten stark an die verbotene «Heimattreue Deutsche Jugend» erinnert. Bei seinem Kampf in Schmölln wurde er u.a. von Lukas Oertel vom «La Familia Fightclub Erfurt» betreut.
Anton Stigermark, der ursprünglich für einen MMA-Kampf zugesagt hatte, versucht sich in Schweden als rechter Vordenker und vermischt dabei Metapolitik und Kampfsport. Dabei ist er an die rechte Sportgruppe «Legio Gloria» um Marcus Follin angebunden und wirkt an Videos des rechten YouTube-Formats «Palaestra Media» mit. Betreiber dessen ist Jonas Nilsson, der Stigermark für diverse MMA-Kämpfe vorbereitete, aber auch das faschistische Regiment «Azow» im Kampfsport ausbildete, wie er in den sozialen Netzwerken offenkundig zugibt. „First week in August – Anton Stigermark doing his debut“, erklärt er seinen Followern weiter und spielt damit auf Stigermarks Premiere im MMA an, die letztlich im August 2018 im «Reconquista Club» des «Azow»-Regiments in Kiew stattfand. Nilsson und Stigermark waren bereits 2017 auf dem «Kampf der Nibelungen» zugegen und betreuten dort ihren Kämpfer Marcus Follin. Stigermark selbst kämpfte auch beim neonazistischen «Pro Patria Fest» in Griechenland 2019.
Dass auch ein Kampf von Marcus Follin am 26. September 2020 in Magdeburg hätte aufgezeichnet werden sollen, dafür spricht, dass er sich „zufällig“ an dem Wochenende in Deutschland aufhielt. Er sei auf Geschäftsreise gewesen, verlautbarte er in den sozialen Netzwerken, postete jedoch am Abend des 26. September Bilder von der «5. Invictus Fightnight» in Saalfeld, Thüringen. Auf der selben Veranstaltung fanden sich auch Felix Stiller und Dominic Exel vom rechten «Fightclub 062» ein. Exel hatte erst im Juni 2019 auf dem Neonazi-Eventuell «Tiwaz» bei Zwickau gekämpft. Der «Fightclub 062» selbst ist offizieller Unterstützer des KdN.
Erwähnenswert an dem Kampf zwischen Menzel und Stigermark in Schmölln war indes nur der peinliche Zwischenruf von Moderator Henrik Ostendorf. Lauthals bekundete er mit den Worten „Sverige Sverige Fosterland“ seine Sympathie mit dem Schweden – eine Anspielung auf einen gleichnamigen Song der rechten schwedischen Kultband «Ultima Thule».
Nach erneuter Werbepause folgte dann ein K1-Kampf. Angekündigt wurden „Max aus Emsland“, sowie Steve Stock aus Thüringen. Letzterer wurde dabei von Franz Pauße und einem weiteren Mitglied aus dem Orga-Kreis des KdN betreut. Darauf kann man schließen, da beide das nicht frei verkäufliche „Team“-T-Shirt des KdN trugen. Auch André Penczek, der zur Dortmunder Clique um Alexander Deptolla und «Die Rechte» gehört, war in Schmölln anwesend und präsentierte solch ein T-Shirt.
Eine unmittelbare Nähe zur Dortmunder Struktur ist auch bei „Max aus dem Emsland“ erkennbar. Gemeinsam mit etlichen Mitgliedern des Orga-Kreises des KdN nahm „Max“, bei dem es sich um Maximilian Lang handelt, zuletzt im August 2020 an einer Kundgebung der Partei «Die Rechte» in Dortmund teil. Zum bereits achten Mal wollte man mit der Kundgebung gegen das 2012 erwirkte Verbot der Gruppierung «Nationaler Widerstand Dortmund» protestieren. Für Lang und Stock war es scheinbar der erste Kampf. Kommentator Redeker hofft, dass beide dem Sport treu bleiben.
Im letzten Kampf des Tages in Schmölln, so Moderator Ostendorf im Vorgang, werde man erneut internationale Beteiligung haben. Als „Veteran des KdN“ bezeichnet Kommentator Redeker den Bulgaren, der unter dem Namen „Miroslav“ in den Ring tritt. Er gehört dem «NS Fightclub Sofia» an und kämpfte in Schmölln gegen Julian Menzel, der somit seinen zweiten Boxkampf des Tages bestritt, diesen jedoch verlor.
An der Neonlampe tummeln sich die Motten
Nach längerer Werbepause wechselte man im Stream erneut die Örtlichkeit. Wenn man bisher dachte, dass das Setting in Schmölln schon nicht von viel Professionalität zeugt – die das Orga-Team schließlich permanent beteuert – so wird es nun völlig unterirdisch. Denn es ist ein Heizungskeller, der nun als Kulisse dient. Abermals nutzte man Elemente aus dem Gerüstbau als Art Ringbegrenzung, auf dem Boden liegen keine Matten und an der Neonröhre tummeln sich die Motten. „Bisschen Fightclubmäßig“, wie Redeker die Umstände im Stream beschreibt, befinden sich in dem Raum um die zehn Personen. Alle sind maskiert, laut eigenen Angaben zum Infektionsschutz.
Kommentator Redeker erklärt wie es zu dem Kampf gekommen sein soll. Alexander Deptolla und „Olli“ würden sich schon lange kennen und hätten vor ein paar Jahren zugesagt, einmal gegeneinander in den Ring zu steigen. Bei „Olli“, der im Stream in T-Shirt und Hose der «AG Körper & Geist» der Neonazi-Partei «Der III. Weg» bekleidet ist, handelt es sich um Oliver Oeltze. Begleitet wurde er u.a. von Sebastian Glaser.
Oeltze und Deptolla kennen sich tatsächlich schon viele Jahre, vor allem durch ihre Überschneidungen innerhalb der militanten Neonazi-Szene. Denn während Deptolla maßgeblich beim verbotenen «Nationalen Widerstand Dortmund» mitwirkte, war Oeltze beim ähnlich gewaltvoll auftretenden «Nationalen Widerstand Berlin» aktiv. Der Berliner ist heute Schlüsselfigur des „Stützpunkt Berlin“ der Partei «Der III. Weg», während der Dortmunder jüngst für «Die Rechte» kandidierte.
„Stabiler Stand, auch wenn unser Alex nicht gerade den sportlichsten Eindruck macht. Bin überrascht, ob er über die Zeit kommen wird“, kommentiert Redeker den Kampf. Beide mussten letztlich nicht nur drei Runden kämpfen, sondern eine weitere vierte, da sich die Punkterichter uneins über die Wertung waren. „Tobi, das war unentschieden“, rief Deptolla dem Ringrichter entgegen. Mit „Tobi“ war Tobias Vogt aus Strausberg in Brandenburg gemeint. Er begleitete schon einige Kämpfer auf Szene-Events, etwa auf dem «Tiwaz» 2018 im Erzgebirge. Im April 2018 kämpfte Vogt aber auch selbst auf einer Veranstaltung des KdN in Ostritz. Bekanntheit erlangte Vogt allerdings vorrangig durch seine Tätigkeit als Musiker bei den RechtsRock-Bands «Exzess» und «Die Lunikoff Verschwörung».
Im Falle von Oeltze und Deptolla nützte auch eine vierte Runde nichts. Der Kampf wird als Unentschieden gewertet und nachdem die Kamera noch wenige Momente die Atmosphäre des Heizungskellers aufnimmt, erscheint ein verwackeltes, offenbar mit dem Handy aufgenommenes Video. Zu sehen ist Alexander Deptolla, wie er in der Nacht, irgendwo an einer Tankstelle, aus einem Fahrzeug der Polizei aussteigt.
Der Stream ändert danach abermals die Kulisse und zeigt Deptolla erneut während einer Autofahrt. Es sind die abschließenden Worte zum Stream, wo er vor allem auf die Repressalien des Staats gegen die Durchführung des KdN eingeht. Dabei teilte er mit: „Was der Staat dieses Jahr an Repression aufgefahren hat, war auf jeden Fall eine neue Nummer, würde ich sagen. Es fängt an über Abschiebungen von Kämpfern aus dem Ausland mit denen wir uns rum geärgert haben. Es geht darum, dass Hallen gestürmt wurden, wo wir klagen müssen. Dass uns komplette Landkreise Veranstaltungsverbote aufgedrückt haben und zu guter letzt wurden noch ein Peilsender an einem Auto eines Mitwirkenden gefunden (…) Es gab sogar zeitweise Haftaufenthalte für Leute von uns weil es darum ging, dass man in einem Bundesland festgesetzt wurde und man einen Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung hatte (…) Davon sind übrigens auch Ausschnitte zu sehen in diesem Video (…)“. Bei letzterem dürfte es sich um das kurze Handy-Video handeln, das im Nachgang von Deptollas Kampf im Stream eingeblendet wird.
„Es wird erstmal keine Veranstaltung von uns geben“, führt Deptolla weiterhin aus. Einen Tag später erreicht diese Nachricht auch die sozialen Netzwerke. Man wolle sich zurück ziehen, bis die juristischen Fragen geklärt sind, heißt es. Der «Kampf der Nibelungen» als Bekleidungsmarke werde jedoch weiterhin voran getragen.
Ein Coup für den KdN – ein Armutszeugnis für die Politik
Von der Größe, die das extrem rechte Kampfsport-Event noch im Jahr 2018 ausstrahlte, ist wenig geblieben. Der präsentierte Online-Stream dürfte für viele ZuschauerInnen zumindest inhaltlich eine herbe Enttäuschung gewesen sein, die Entscheidung, keine weiteren Veranstaltungen in nächster Zeit durchführen zu wollen, ist eine der daraus gezogenen Konsequenzen.
Nichts desto trotz bewiesen die OrganisatorInnen des KdN erneut ihre Fähigkeit, als Netzwerk auch unter miserablen Umständen funktionieren zu können. Angefangen beim Rückgriff auf etablierte Neonazi-Gyms wie das der «Barbaria Schmölln», über die Einbindung erfahrener Medienschaffenden vor Ort – darunter Leon Ringl und Dennis Brandt von «Reconquista Media» – bis hin zur Einbeziehung offenbar ausgebildeter Ring-und Punkterichter wie Malte Redeker und Tobias Vogt.
Auch wenn der Stream alles andere als beeindruckend war und die Gegebenheiten mehr als unprofessionell wirkten, erhielt das Online-Publikum doch etwas Wesentliches. Nämlich einen exklusiven Einblick in den «Kampf der Nibelungen», der einer Öffentlichkeit verwehrt bleibt. Die Zuschauenden gerieten schließlich in die Position der Eingeweihten und wurde Teil der Gemeinschaft, Teil von etwas Verbotenem, etwas Verruchtem.
Im Gegenzug erfährt der KdN Wertschätzung und gilt szene-intern auch weiterhin als erfolgreiche und unverwundbare Organisation. Einem ideologisch gefestigten Publikum ist es schließlich egal, ob der KdN als Gala vor hunderten ZuschauerInnen oder im Heizungskeller mit «Fightclub-Charme» stattfindet. Der Fakt, dass die Kämpfe trotz einem vorangegangenen Verbot in Magdeburg, am Ende in Schmölln improvisiert stattfinden konnten, ist ein Coup – und ein Armutszeugnis für die Politik. Jetzt, in verweilender, defensiver Position, entzieht man den ermittelnden Behörden den Handlungsdruck. Auch deswegen sollten Deptollas Schlussworte in Bezug auf den Rückzug des KdN, nicht als Erfolg gewertet werden. Die Vermarktung des Labels und der damit einhergehenden Ideologie der Wehrhaftigkeit, findet auch weiterhin statt.
Vielmehr ist sich der Orga-Kreis bewusst, dass der «Kampf der Nibelungen» wesentliche Voraussetzungen bieten dürfte, um als Organisation verboten zu werden. Wie kaum eine andere Organisation bildet das Format nun mehr seit sieben Jahren ein Netzwerk, in dem sich Personen aus allen rechten Lebenswelten einfinden. Jüngst wurde bekannt, dass sogar Angehörige der Bundeswehr an Events des KdN teilnahmen.
Nicht zuletzt ist der KdN Produkt einer toxischen Allianz eingespielter, langjährig aktiver Neonazis, bei deren Personalien alle Warnsignale auf Rot schalten. So ist Hauptprotagonist Malte Redeker nicht nur Europa-Chef der international vernetzten, gewalttätigen Bruderschaft «Hammerskin Nation», sondern auch Initiator und Aufbauhelfer zahlreicher Kameradschaften, Kampagnen und Projekte. Der Zweite im Bunde, Henrik Ostendorf, verfügt über einen Erfahrungsschatz, den er seit den 1980er Jahren kontinuierlich erweitern konnte – zwischen rechten Hooligan-Milieu, etlichen Neonazi-Parteien, RechtsRock-Events und rechter Publizistik. Alexander Deptolla wiederum, der als einziger der Drei öffentlich als Gesicht des KdN auftritt, verdeutlichte die Gefahr, die von seiner Person ausgeht, erst vor kurzem selbst. So hätten ihn die Behörden als „Gefährder“ gelistet, d.h. als eine „relevante Person“, bei der man davon ausgehe, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen könne, so die Definition.
Würde man das nahe Umfeld des KdN, die unterstützenden Strukturen und die KämpferInnen hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit ausführen, könnte man damit Bücher füllen. Genau das findet sich aber schon an anderer Stelle: in Analysen lokaler Recherche-Plattformen, auf den Informationsseiten von Kampagnen wie «Runter von der Matte» oder in den Artikeln engagierter Journalist:innen, die seit Jahren auf die Dimension und Bedeutung des Netzwerkes hinweisen.
Update: Am 24. Oktober wurden weitere Informationen zu Kevin Noeske im Text ergänzt