[Original erschienen unter https://de.indymedia.org/node/61883]
Am 24.01.2020 fanden in vielen Städten Deutschlands Kundgebungen unter dem Motto „Fridays gegen Altersarmut“ statt. Auch für Neubrandenburg wurde eine solche Veranstaltung in der bundesweiten Facebook-Gruppe angekündigt.
Im Vorfeld der Kundgebung machte die „Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa“ via Facebook unter anderem auf die rechte Gesinnung der Neubrandenburger Anmelderin Kerstin Bach aufmerksam und veröffentlichte diverse Posts von ihr, welche von Klimawandelleugnung über die Verbreitung von Fakenews bis zu AfD-Beiträgen eine breite Palette an rechtem Populismus reproduzieren. https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=649822472493146&id=180838102724921
Als Reaktion auf die plötzliche Öffentlichkeit ihrer Internetaktivitäten stellte Bach die wilde These auf, dass sie und ihre Kundgebungsteilnehmer_innen angegriffen werden könnten – als ob eine pfälzische Facebook-Antifa durch das halbe Land fahren würde, um eine populistische AfD-Anhängerin und ein paar Rentner_innen anzugreifen. Faktisch wurden schließlich von „der Antifa“ nur öffentliche Äußerungen der Anmelderin zusammengefasst und ihrer Behauptung, die Veranstaltung in Neubrandenburg weise keine Nähe zur extremen Rechten auf, gegenübergestellt. Worin hierbei die Bedrohung liegt, lässt Kerstin Bach bewusst offen. Das Spiel mit der herbeifabulierten „Bedrohung von links“ gehört bekanntermaßen schon lang auch zum politischen Repertoire der AfD, ebenso wie die Strategie der Schein-Distanzierung und des Zurückruderns nach kritisch hinterfragten Aussagen.
Nach einigem Hin und Her, ob die Kundgebung der „Fridays gegen Altersarmut“ nun in NB stattfindet oder doch abgesagt werden soll, rang sich die Veranstalterin schließlich doch noch dazu durch, eine Kundgebung durchzuführen. Kertsin Bach ruderte allerdings gegenüber dem Nordkurier zurück und betonte, dass es sich bei Ihrer Kundgebung nicht um eine Veranstaltung der AfD und auch nicht um eine Veranstaltung der Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“ handele. Das sämtliche anwesende Personen aber wegen der Mobilisierung unter dem fragwürdigen bundesweiten Label „Fridays gegen Altersarmut“ angerückt waren, schien nicht weiter zu stören.
Im Publikum der Kundgebung fanden sich einige bekannte Gesichter aus dem rechten Lager, die sich von der „Distanzierung“ der Anmelderin entweder nicht gemeint fühlten oder sie schlichtweg ignorierten. Unter den ca. 30 Teilnehmer_innen befanden sich unter anderem der AfD-Stadtvertreter und AfD-Kreistagsmitglied (MSE) Andreas Rösler aus Burg Stargard und Jörg Kracht, der zur Zeit Beisitzer der AfD im Kreisverband MSE ist.
Andreas Rösler
rechts: Jörg Kracht
Auch einen bekannten Reichsbürger der „Penzliner Runde“ – Matthias Losch – zog die Kundgebung an. Die revisionistische und völkisch-rassistische „Penzliner Runde“ wird aktuell vom Verfassungsschutz beobachtet und sorgte vor ein paar Wochen für Aufsehen, weil sie sich regelmäßig im Gutshaus in Friedrichsfelde trifft, um Bürger_innen zur Unsouveränität der BRD und ihren Rechten nach den in ihren Augen geltenden Gesetzen des Freistaates Preußen zu beraten. https://www.nordkurier.de/mueritz/gemeinde-diskutiert-ueber-reichsbuerger-treff-2837914812.html
Die regionale Neonaziszene war an diesem Tag auf dem Marktplatz durch Robert Häußer aus Holzendorf und ein paar seiner Anhängsel vertreten. Dieser nutzte gleich die Gelegenheit, auch die Teilnehmer_innen der zeitgleich stattfindenden Kundgebung „Fridays gegen Nazigedöns“, die von „Neubrandenburg Nazifrei“ beworben wurde, in Augenschein zu nehmen. Robert Häußer nimmt seit Jahren regelmäßig an NPD- und anderen rechtsradikalen Demonstrationen teil und ist fester Bestandteil der organisierten Neonaziszene in der Region.
blaue Hose: Robert Häußer
Es wird deutlich, dass sich Zivilgesellschaft und regionale Presse durch halbherzige und unstete Distanzierungen der AfD-nahen Anmelder_innen von „Fridays gegen Altersarmut“ nicht beruhigen lassen sollten. Die Bewegung „Fridays gegen Altersarmut“ in Neubrandenburg sowie die aktiven Neonazis und Rechtspopulis_innen der Region müssen weiterhin kritisch und informiert betrachtet und beobachtet werden. Die pauschale Abgrenzung von „extremistischem Gedankengut“ darf nicht über die von der Gruppe und ihren Akteur_innen geäußerten Positionen und ihre politischen Kontexte hinwegtäuschen. Auch die unreflektierte Übernahme der Sichtweise von Anmelderin Kerstin Bach, sie fürchte „Attacken durch radikale Gruppen“ ist ein fatales Zeichen. Wenn die Auseinandersetzung mit ihren öffentlich gemachten Aussagen zum „Bedrohungsszenario von links“ aufgebauscht wird, dient das einzig und allein den Rechtspopulist_innen, die unbeobachtet und unwidersprochen ihr eigenes politisches Süppchen auf Neubrandenburgs Marktplatz kochen wollen. Ein kritischer und investigativer Journalismus mit fundierten Hintergrundrecherchen wäre hier mehr den je von Nöten.
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