An der Universität Greifswald wurde ein Jurist promoviert, der zuvor Sänger einer rechtsradikalen Band war. Wusste der Professor davon? Seine eigene Vita lässt an einem Versehen zweifeln.
Ein Professor für Zivilrecht der Universität Greifswald hat nach Recherchen dieser Zeitung möglicherweise einen Neonazi promoviert. Der 1984 geborene Promovend, der seit kurzem als Rechtsanwalt tätig ist, war in der Vergangenheit Sänger einer rechtsradikalen Band. Zu seinen Liedtexten gehörten folgende Aussagen: „Adolf Hitler, im Kampf für unser Land. Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt. Adolf Hitler, du machtest es uns vor. Adolf Hitler, Sieg Heil tönt es zu dir empor“, oder „Es ist bekannt in aller Welt, dass der Jude nicht viel von Arbeit hält. Lieber nimmt er die Entschädigungsmoneten, zum Bau von Atomraketen“.
Ob der Mann dieses Gedankengut noch heute teilt, ist unklar. Der Jurist war bis Herbst 2014 Zivilrichter auf Probe in Bayern. Als seine politischen Ansichten bekanntwurden, endete das Dienstverhältnis. Kurz darauf begann er sein Doktorat zum Thema „Der privatärztliche Vergütungsanspruch gemäß der GOÄ im Spannungsfeld des medizinischen Fortschritts“. Doktorvater war Ralph Weber, Professor für Zivilrecht in Greifswald. Auf Anfragen, ob er die politischen Ansichten seinen Schülers kannte oder teilte, reagierte Weber nicht. Webers eigene politische Positionierung ist seit längerem bekannt: Im Umfeld der Landratswahlen im Jahr 2008 hatte er kritisiert, dass zwei NPD-Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Seinen Beschwerdebrief an das Innenministerium, der „Spiegel Online“ vorlag, schrieb er auf offiziellem Briefpapier.
Reaktion der Hochschulleitung: Entsetzen
Kurz darauf erließ die Universität Greifswald ein Verbot von Kleidung der Marke „Thor Steinar“, die bei Rechtsradikalen beliebt ist. Weber hatte die Kleidung demonstrativ in der Universität getragen. Im Jahr 2008 gab der Professor der „Jungen Freiheit“ ein Interview zum Thema „Brauchen wir eine neue Rechtspartei?“. Vier Jahre später hielt er am Festkommers der Deutschen Burschenschaften einen Festvortrag mit dem Titel „Brauchen wir eine neue Partei rechts der CDU?“. Weber scheint diese Partei inzwischen gefunden zu haben: Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst kandidiert er für die AfD.
Die Greifswalder Hochschulleitung zeigt sich entsetzt, dass sie „nun im Zuge einer Presseanfrage zur Kenntnis nehmen muss, dass kürzlich an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ein medizinrechtliches Promotionsverfahren von einer Person abgeschlossen wurde, der laut Medienberichten rechtsextreme Äußerungen zugeschrieben werden, die im Jahr 2004 zu einer Verurteilung wegen Volksverhetzung geführt haben sollen“. Durch die Promotion werde eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende Befähigung zu selbständiger vertiefter wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen.
Entzug nur bei wissenschaftsbezogenen Verfehlungen
Nach der Rechtsprechung sei es anerkannt, dass eine Universität einem strafbaren Verhalten nur insoweit Relevanz beimessen darf, als wissenschaftsbezogene Straftaten in Rede stehen. Auch komme ein nachträglicher Entzug des Doktorgrades wegen Unwürdigkeit nur bei wissenschaftsbezogenen Verfehlungen in Betracht, in denen eine funktionelle Verknüpfung mit dem Wesen und der Bedeutung des Doktorgrades gegeben ist. „Wir sehen gegenwärtig leider keine Möglichkeiten, die Verleihung des Doktorgrades zu verhindern“, heißt es von der Universitätsleitung. Das Schweriner Bildungsministerium erklärt, es könne „nur im Rahmen der Rechtsaufsicht bei rechtswidrigem Handeln der Universität eingreifen“. Dafür gebe es derzeit keinerlei Anhaltspunkte.
Die Vergangenheit des Promovenden hätte man freilich mittels einer einfachen Internet-Recherche rasch herausfinden können. Anspruch auf eine Promotion besteht nicht. Laut Promotionsordnung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Greifswald soll ein Bewerber von einem Professor angenommen werden. Bewerber können aber auch abgelehnt werden. Die Universität Greifswald ist wohl Opfer eines Professors geworden, der bei einem Bewerber nicht nur das rechte Auge zudrückte.