Polizei-Schuss auf Unschuldigen: „Warum hat es gerade mich erwischt?“

Bei einem Einsatz Mitte Februar schießen Hamburger Polizisten einem Unschuldigen in den Kopf, verletzen ihn schwer. SPIEGEL TV hat exklusiv mit dem Opfer gesprochen.

David Albrechts Leben verändert sich am 12. Februar dieses Jahres auf einer Landstraße in Mecklenburg-Vorpommern innerhalb von Sekunden. Gemeinsam mit einem Freund ist er in einem großen schwarzen Pick-up unterwegs. Die Pläne fürs Wochenende sind gemacht, jetzt noch schnell beim Fleischer halten, einkaufen gehen und dann nach Hause fahren.

Plötzlich werden Albrecht und sein Begleiter von mehreren Autos ausgebremst und gestoppt. Männer in Zivil mit schwarzen Masken schreien, ein Schuss fällt. Die Kugel trifft den 27-jährigen Albrecht ins rechte Auge. Wie durch ein Wunder überlebt er. Verantwortlich für den Einsatz ist das Hamburger mobile Einsatzkommando (MEK). Die Fahnder waren auf der Suche nach Nico Schmidt, dem Besitzer des schwarzen Dodge Ram.

Schmidt, ein verurteilter Straftäter, wurde von der Polizei gesucht, weil er nicht zum Haftantritt erschienen war. Wie es zu der folgenreichen Verwechslung kam und warum die Polizei schoss, wird derzeit von der zuständigen Schweriner Staatsanwaltschaft untersucht.

SPIEGEL TV hat David Albrecht am vergangenen Freitag getroffen. Der Gang des schwergezeichneten Mannes ist schleppend, durch den Krankenhausaufenthalt ist er zehn Kilogramm leichter geworden, das Reden fällt ihm schwer. „Ich bekomme meinen Mund kaum geöffnet, kann dadurch nur noch flüssige Nahrung zu mir nehmen“, sagt Albrecht. Dazu kommen Phantomschmerzen, ihm tut das Auge weh, das nicht mehr vorhanden ist. „Ich habe ein Stechen im Kopf und die Gehirnschwellung schmerzt auch. Es ist echt hart für mich.“

„Sie hatten keinerlei Polizeiabzeichen“

Über den Vorfall will er nicht so richtig reden, wohl auch, weil die Erinnerung nur langsam kommt. Mit der Polizei hat Albrecht noch nicht gesprochen, da auch gegen ihn ermittelt wird. Angeblich, so Aussagen der eingesetzten MEK-Beamten, wollte er weiter fahren. Von „acht Metern“ soll in Zeugenaussagen die Rede sein.

Für Albrechts Rechtsanwalt Benjamin Richert sind die Ermittlungen gegen seinen Mandanten nur ein Ablenkungsmanöver der Polizei. „Sie hatten keinerlei Polizeiabzeichen oder Schriftzüge an der Kleidung. Auch die eingesetzten Autos waren nicht als Polizeiautos gekennzeichnet“, sagt Richert zu SPIEGEL TV. Er hat Anzeige gegen das MEK erstattet.

David Albrecht muss sich an ein neues Leben gewöhnen, ein Leben mit Behinderungen. Ärzte haben ihm ein provisorisches Glasauge eingesetzt. Es soll verhindern, dass die Augenhöhle zusammenfällt. Dazu kommen die seelischen Verwundungen. „Es ist schwer, ich war diese Woche wieder beim Psychologen“, sagt Albrecht. „Er hat gesagt, das wird lange dauern mit der Therapie. Da ist eben so viel zum Aufarbeiten. Warum hat es gerade mich erwischt? Was habe ich falsch gemacht?“ Der junge Mann schluckt, kämpft mit Tränen.

Nico Schmidt, dem der MEK-Einsatz eigentlich galt, trat in der vergangenen Woche seine Haftstrafe an. Vor dem Gefängnistor nahm er noch ein Video auf. In dem Film erklärt Schmidt, wo er während seiner Flucht war, warum er sich dem Haftantritt entzog und was er von dem Einsatz hält.