An der Universität Rostock ist die Auseinandersetzung um eine Flugblattaktion weiter eskaliert. Die Studierenden-Inititive „Kritische Uni“ hatte den von mehreren Dozierenden vertretenden „Extremismus der Mitte“ thematisiert. Während die Philosophische Fakultät, zu der auch das Historische Institut gehört, den in den USA angeklagten „Whistleblower“ Edward Snowden die Ehren-Doktorwürde anträgt, erstattete der Pressesprecher derselben Universität gegen kritische Studierende Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
Der Anlass: Flugblätter gegen den Extremismus der Mitte
Die ersten Semesterwochen hatten bisher unbekannte Studierende genutzt, um mithilfe von Flugblättern besonders Erstsemester für den von mehreren Dozierenden vertretenen „Extremismus der Mitte“ zu sensibilisieren. Im Fokus standen dabei neben Prof. Dr. Flaig, der seinen Veranstaltungen regelmäßig für politische Statements nutzt, mehrere Dozierende des Historischen Instituts. Angesprochen wurden rechte Statements, Nähe zu Burschenschaften und das Vertreten der unwissenschaftlichen Extremismustheorie, die de facto jeglicher für Freiheit, Gleichheit und Solidarität eintretenden Politik die Berechtigung abspricht (Link zum Text des Flugblattes:
http://kritischeunihro.blogsport.de/2013/10/14/extremismus-der-mitte-rostocker-profs-und-der-rechte-rand/ ).
Kriminalisierung statt Diskurs
Nun hat die Uni Rostock Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Nicht einmal eine Woche verging, seitdem der Pressesprecher der Uni Rostock, Ulrich Ben Vetter die angebliche mangelnde Diskursfähigkeit der Gruppe „Kritische Uni“ mit den Worten: „Wer sich (…) auf anonyme Weise dem Diskurs entzieht, scheint von Transparenz und demokratischer Meinungsbildung wenig zu halten“ bemängelte. Was sich der im besagten Flugblatt wegen seiner Vergangenheit in der Presselandschafts Rostocks zur Zeit des Pogroms von Lichtenhagen ebenfalls kritisierte PR-Profi unter „demokratischer Meinungsbildung“ vorstellt, zeigt sich nun mit dem Einschalten der Staatsmacht als Reaktion auf Kritik an öffentlichen Meinungsäußerungen von Professoren.
Ungehorsam loben, aber Studierende anzeigen
Besonders perfide wirkt dies im Angesicht der aktuellen Ereignisse. Die Uni Rostock macht neben der Extremismusgeschichte gerade mit dem Ansinnen der Philosophischen Fakultät, Edward Snowden die Ehrendoktorwürde anzutragen, Schlagzeilen. Der Dekan der Philosophischen Fakultät begründet dies mit den Worten: “ Aus unserer Sicht gehört ziviler Ungehorsam zu modernen Demokratien dazu“. Dies schließt für Wiensierski sogar das Übertreten von Gesetzen ein: „Erinnern Sie sich an Rosa Parks in den 1950er Jahren, Martin Luther King, Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi – alles Bürger, die gegen die Gesetze des Staates verstoßen haben im Dienst einer höheren Sache“. „Die Unterstützung Snowdens ist reines Spektakel, solange an der eigenen Fakultät Studierende, die Missstände ansprechen, kriminaliseirt werden“ kommentiert dies Frank Schmidt, Sprecher der Kritischen Uni. „Bevor Herr Wensierski beginnt, sich der Weltpolitik zu widmen, sollte sich der Dekan erst um die Probleme an seiner eigenen Fakultät kümmern“.
Dokumentation der Fakten
Dabei kann von „mangelnder Diskursfähigkeit“ der „Kritischen Uni“ keine Rede sein. Auf dem Blog kritischeunihro.blogsport.de sammelt die größenteils aus Studierenden der Geschichte bestehende Gruppe Belege für das öffentliche Wirken der von ihnen kritisierten „Extremisten der Mitte“. Mit Erfolg: Die Aktion ist am Historischen Institut in aller Munde. Das einzige, was fehlt, ist eine inhaltliche Positionierung der Universität. „Statt den von uns iniziierten Diskurs aufzunehmen, versuchen die Uni-Gremien den Konflikt auszusitzen“ beklagt Frank Schmidt, Sprecher der „Kritischen Uni“. Und damit nicht genug: „Um KritikerInnen einzuschüchtern wird Anzeige erstattet.“
Wer Öffentlichkeit sucht, muss sie auch ertragen können
Schmidt sieht einen möglichen Prozess gelassen entgegen. Die Gruppe habe nur zusammen getragen und aufgeschrieben, was öffentlich auffindbar und überprüfbar sei. „Wenn die Dokumentation öffentlicher Äußerungen verwerflich sein soll, dann sollten die Verantwortlichen vielleicht den Kern des Problems angehen, statt die Überbringer der schlechten Nachricht zu verfolgen“. Bei Kritik seien „Extremisten der Mitte“ wohl etwas dünnhäutig: „Wer mit einer politischer Meinung die Öffentlichkeit sucht, muss sie auch ertragen können.“
Snowden loben- Studierende verfolgen?
So zeichnet sich ein Bild einer Universität, die einerseits aufgrund der „moralisch (…) herausragenden Bedeutung, die der Zivilcourage und dem zivilen Ungehorsam“ zukäme, eine Doktorwürde verleihen möchte und anderseits Studierende verfolgt, die unbequeme Tatsachen thematisieren. So zeigt das Beispiel der Uni Rostock, wer wirkungsvoll gegen Mächtige protestiert, hat auf kurz oder lang Ärger. Frnk Schmidt dazu: „Egal ob in den USA, Russland oder Deutschland: Die Frage, ob man sich beim Protest legal oder illegal verhält ist zweitrangig. In dem Moment, wo man die Mächtigen stört, hat man Ärger mit der Polizei und der Justiz“. Eine Lektion, die die Studierenden, aus denen sich die kommende Generation der demokratischen Funktionselite rekrutiert, als Teil des informellen Lehrplans an der Uni Rostock beigebracht bekommt.
Mehr Infos
Link zum Text des Flugblattes:
http://kritischeunihro.blogsport.de/2013/10/14/extremismus-der-mitte-rostocker-profs-und-der-rechte-rand/
Link PM Positionierung Universität in ND
http://kritischeunihro.blogsport.de/2013/11/13/neues-deutschland-berichtet-ueber-den-rostocker-extremismus-der-mitte/
und JF
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M53dad979c9f.0.html
Link zur Snowden-PM der Uni
http://www.uni-rostock.de/aktuelles/alle-meldungen/detailansicht-der-news/news-artikel/philosophische-fakultaet-prueft-ehrendoktorwuerde/
Begründung:
http://www.uni-rostock.de/uploads/media/Antrag-Dekanat-FR-Snowden-hc-14-11-2013.pdf
Dekan Wensierski im Interview der Berliner Zeitung:
http://www.berliner-zeitung.de/spionage-skandal/ehrendoktorwuerde-fuer-snowden–ungehorsam-gehoert-zu-modernen-demokratien-,23568638,25055736.html