Wir wollen hier kurz auf Geschehnisse am und im Geflüchteten-Lager Horst in der Nähe von Hamburg eingehen, so wie sie sich für uns am gestrigen Abend während des mvgida/Rassist*innen-Aufmarsches in Boizenburg nahe des Lagers dargestellt haben. Seit kurzem sind dort uniformierte Bundeswehr-Soldat*innen in den Lagerbetrieb integriert und diesen Einsatz der Bundeswehr im Inneren als “Helferin” in der Geflüchteten-Thematik finden wir höchst problematisch.
Die Situation vor dem Lager sah für uns gestern so aus, dass bereits an der Einfahrt zum weiter hinten liegenden Lager drei unbeheizte Zelte in unmittelbarer Nähe zur Straße aufgestellt waren, vor und in denen Geflüchtete auf die Erstregistrierung warteten. Die Registrierung wurde von mehreren Soldat*innen durchgeführt und zusätzlich waren zwei weitere Wachen auf der Zufahrtsstraße zum Lager postiert. Direkt am Lager-Tor befanden sich ebenfalls Zelte und es hielten sich dort auch Soldat*innen auf, wobei augenscheinlich bei allen keine Bewaffnung zu erkennen war. Später erfuhren wir, dass die Soldat*innen für die Registrierung, Essensausgabe und Deckenverteilung zuständig sind. Wir erfuhren auch, dass einige Geflüchtete bereits fünf Tage auf die Bearbeitung ihrer Anträge warteten und dass nur ein Mal am Tag warmes Essen ausgeteilt wird.
Während die ersten Antifas mit Autos am Lager eintrafen, lief die Registrierung noch, sie wurde dann aber mit Ankunft des Antifa-Busses aus Hamburg eingestellt. Die Soldat*innen zogen sich komplett auf das Lager-Gelände zurück und weiterhin ankommende Geflüchtete mussten in und an den Zelten an der Zufahrtsstraße warten.
Daraufhin ging das Gerücht um, dass sich die Soldat*innen wegen der anwesenden Antifas zurückgezogen hätten, was schlussendlich bestätigt wurde: Während in Boizenburg die Abschlusskundgebung der Nazis/Rassist*innen stattfand, wurde vor Ort offiziell informiert, dass die Registrierung erst fortgesetzt wird, sobald der Bus abfährt und sich die Antifas (bzw. „Versammlungsteilnehmer egal welcher Seite“) nicht mehr im Einfahrtsbereich aufhalten. Die mit dem Bus angereisten Antifas entschieden sich, die Abreise vorzuziehen, wobei die Verbliebenen nach der Abfahrt des Busses noch abwarteten, ob die Situation von Nazis/Rassist*innen ausgenutzt wird.
Auffällig war noch, dass die (Hamburger Bereitschafts-)Polizei erst nach dem Antifa-Bus eintraf, vorher also wenig bis gar kein polizeilicher Schutz vor Ort war, und direkt nach der Abfahrt des Busses auch wieder verschwand.
Zum Schluss wurde noch bekannt, dass eine Gruppe Geflüchteter am Boizenburger Bahnhof eingetroffen war und der Großteil der verbliebenen Antifas entschied sich, diese abzuholen. Währenddessen wurde die Registrierung wieder fortgesetzt.
Aus unserer Sicht sind Soldat*innen als Ansprechpersonen bei der Registrierung bzw. Essensausgabe oder Deckenverteilung eine Zumutung für Menschen, die vor Krieg geflüchtet sind und/oder auf ihrer Flucht traumatische Erlebnisse mit Soldat*innen hatten. Hier wird bewusst Geld gespart, anstatt ausgebildetes Personal (DRK, IRK, Sozialarbeiter*innen, etc.) einzusetzen.
Des Weiteren gehen wir davon aus, dass mit diesem Einsatz im Inneren der Bundeswehr ein positives Image verpasst und auch damit die Gesellschaft an die schleichende Militarisierung des Alltags gewöhnt werden soll. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren “darf” bisher mit Auflagen eigentlich nur bei “Krisen” erfolgen, allerdings kann und darf die im Vergleich zu den Vormonaten höhere Zahl von Geflüchteten auf keinen Fall als solch eine Krise betitelt werden, denn die aktuellen Zustände wären schlicht nicht aufgetreten, wenn frühzeitig reagiert worden wäre.
Es wurde bewusst verhindert, dass zB. die Registrierung und Verteilung von Geflüchteten vereinfacht/beschleunigt/abgeschafft wird, obwohl die Zahlen der Geflüchteten in Transit-Staaten vor den Grenzen der BRD bekannt waren. (Und hier wollen wir nicht sagen, dass wir das aktuelle System irgendwie gutheißen! Jeder Mensch sollte dahin gehen können, wo sie*er möchte.) Darüber hinaus laufen zB. die staatlichen Bemühungen zur Schaffung von Unterkünften für Geflüchtete nur schleppend.
Und hier gibt es unzählige Beispiele mehr; was wir jedoch sagen wollen, ist, dass die Regierenden mit ihrer Passivität der letzten Monate das Bild eines „überlasteten“ Aufnahmesystems geschaffen haben, weshalb über diesen jetzigen, scheinheiligen Aktionismus sowie den menschenunwürdigen Einsatz der Bundeswehr als „Retterin in der Not“ aufgeklärt werden muss. Außerdem ist diese Art der Faktenschaffung abstoßend und findet auf den Rücken Geflüchteter statt!
Hinzu kommt noch ein Aspekt des gestrigen Abends, der uns wütend und fassungslos zurückgelassen hat:
Durch die Weigerung der Bundeswehr-Soldat*innen, die Erstregistrierung der Geflüchteten an der Einfahrt zum Lager wieder aufzunehmen, wurden diese instrumentalisiert, um die anwesenden Antifas zu erpressen und zur Abfahrt zu zwingen. Dieses politische Agieren der Soldat*innen hat die Gefahr für die wartenden Geflüchteten um ein Vielfaches erhöht, ihnen unnötig längere Wartezeiten abverlangt sowie einen antifaschistischen Schutz verhindert.
Dieses Verhalten muss Konsequenzen haben und es sollte beobachtet werden, ob so auch an anderen Aufnahmestellen verfahren wird, wenn antifaschistischer Schutz gebraucht wird.
Zuletzt möchten wir noch allen dafür danken, dass wir zusammen vor Ort waren und entschlossene Präsenz gezeigt haben. Hoffentlich werden wir beim nächsten Mal (auch im Umland von Hamburg) noch mehr sein.
Bitte ergänzt unsere Eindrücke gerne mit euren oder eurer Kritik.
einige Antifas*
+++ Soldat*innen haben nichts in Geflüchteten-Unterkünften zu suchen! Nicht im Inland! Nicht im Ausland! +++
+++ Bundeswehr abschaffen! Sie ist (mit)verantwortlich für Flucht, Vertreibung, Folter und Mord +++
+++ Frontex versenken +++
+++ Für selbstbestimmte Migration +++
+++ Antifaschistischen Selbstschutz organisieren +++
+++ Nazi-Strukturen auch im Hinterland angreifen +++